Werbung paradox - Die Feuersozietät auf einem Ibelo Monopol

12.02.2012 21:21
avatar  Hesse
#1
avatar

Original-Posting aus dem alten Lighterclub-Forum vom 27.02.2010
________________________________________________________
Hallo.

Heute möchte ich euch mal ein kleines Stück deutscher Firmengeschichte, gepaart mit Werbung auf einem Feuerzeug präsentieren.

Das hier vorgestellte Feuerzeug an sich ist nichts außergewöhnliches und wohl jeder Sammler von Benzinfeuerzeugen wird das ein oder andere Exemplar in seinem Bestand horten oder zumindest schon ein mal gesehen haben.

Mir war aber das hier vorliegende "Paradoxon" in Bezug auf die aufgebrachte Werbung ausreichend um diesem Thread zu eröffnen.

Zum Feuerzeug:
Es handelt sich hier um ein IBELO MONOPOL (Typ 1050?) welches ab 1949 gebaut wurde, wobei das hier gezeigte frühestens in den späten 1950 er Jahren hergestellt worden sein dürfte. Die bauchige Ummantelung des Gehäuses besteht meiner Meinung nach aus synthetisch hergestelltem Bernstein. Die Funktion des Feuerzeuges ist natürlich nach wie vor einwandfrei. Aber, wem erzähle ich das... Das ist man ja bei Produkten aus dem Hause Ibelo gewohnt.

Zur Werbung:
Auf dem Korpus des Ibelo ist ein Schriftzug der "FEUERSOZIETÄT BERLIN" eingefräst. Ich, als ausgewiesener Nicht-Berliner, konnte damit zunächst weiter nichts anfangen. Also, wurde kurzerhand Google und Wikipedia zu Rate gezogen und ich wurde umfangreich mit Informationen versorgt, welche ich hier nun stark verkürzt wiedergeben werde. Ebenso wird mein geschichtlicher Exkurs in den 1990er Jahren enden, da für mich hier das angesprochene Paradoxon seine Bestätigung erfährt.

Ich erfuhr, dass es sich hier um die zweitälteste Versicherung Deutschlands handelt. Von Kaiser Friedrich Wilhelm I. im Jahr 1718 gegründet, schrieb sich die Feuersozietät die "beständige Erhaltung der Gebäude" auf die Fahnen und trat als Feuerversicherung auf.
Als erste größere Versicherungsfälle werden die Explosion des Pulverturms am Spandauer Tor (1720) und ein Blitzeinschlag in die Petrikirche (1730), wobei hier das Kirchenschiff, Kirchenschätze und 44 anliegende Wohngebäude zerstört wurden, genannt.

Durch Kriege und andere Wirrungen hatte die Feuersozietät immer mit Problemen zu kämpfen. So war zur Zeit der Wirtschaftskrise in den 1920er Jahre die unglaubliche Summe von 10.416.420.030.989.447,97 Mark ungedeckt. Aus diesen knapp 10,5 Billiarden Mark wurden nach der Währungsreform 10.416,42 Rentenmark.

1938 bezog das Unternehmen das erste eigene Gebäude. Aber, auch hier gab es erneut Schwierigkeiten, da nach dem Ende des 2. Weltkrieges eben dieses Gebäude noch 1945 von der sowjetischen Militäradministration beschlagnahmt wurde. Man startete mit 40.000 geretteten Akten einen Neuanfang und konnte in nur 15 Monaten immerhin 150.000 neue Vertragsabschlüsse vorweisen.

Diese Erfolgsgeschichte fand aber dann auch ein jähes Ende... Wie uns allen bekannt ist, wurde Deutschland in Besatzungszonen aufgeteilt. Aufgrund der einhergehenden Teilung Berlins 1948/49 verlor die Feuersozietät dadurch ca. 45% ihrer Verträge.

Aufgrund des preußischen Sozietätengesetz und dem Gesetz über die Feuersozietät Berlin war die Feuersozietät Pflicht- und Monopolversicherer für die Gebäudefeuerversicherung. Jeder Gebäudeeigentümer war verpflichtet, sein Gebäude gegen das Feuerrisiko zu versichern (Pflichtversicherung) und dies ausschließlich bei der Feuersozietät (Monopolversicherer).
Die ebenfalls gesetzlich geregelte Annahmepflicht sah vor, dass jeder Antrag eines Grundstückseigentümers angenommen werden musste. Da die Gebäudefeuerversicherung eine "Wiederaufbauversicherung" war, bei der Zustand und der Zeitwert des Gebäudes keine große Rolle spielte, kam es im "alten West-Berlin" in den 1970er und 1980er Jahren zu zahlreichen Brandstiftungen für welche auch immer wieder die jeweiligen Gebäudeeigentümer verdächtigt wurden. Dieses Phänomen wiederholte sich dann nach der Wiedervereinigung, nachdem für die Bezirke Mitte, Friedrichshain und Prenzlauer Berg sowie das Land Brandenburg oben beschriebene Gesetze angewandt wurden und hier nun eine Vielzahl maroder Gebäude "warm abgerissen" wurden. Die zu leistenden Entschädigungszahlungen waren in allen drei Jahrzehnten natürlich enorm.

Erst aufgrund einer EU-Richtlinie wurden die Gesetze geändert und fortan entfielen Pflicht- und Monopolversicherung sowie die Annahmepflicht.

Zum Paradoxon:
"[Ironiemodus an]"
Warum mache ich als, durch Gesetzte derart eingeschränkte, Feuerversicherung ausgerechnet auf FEUERZEUGEN Werbung?
Ist es wirklich nötig, den durch die Gesetzeslage motivierten Brandstiftern, auch noch ein exzellent funktionierendes Werkzeug an die Hand zu geben?
Wäre da Werbung auf Feuerlöschern oder gar Feuerwehrautos nicht zweckmäßiger gewesen?
"[Ironiemodus aus]"

Fazit:
Zum Glück muss der ehemalige Besitzer meines Feuerzeuges wohl eine ehrliche Haut gewesen sein, da es keine äußerlichen Spuren von Brandeinwirkung hat. OK, es kann natürlich auch sein, dass es rechtzeitig in Sicherheit gebracht wurde oder bei dem entsprechenden Gebäude kein "Renovierungsbedarf" bestand...

So, das soll es für heute mal wieder gewesen sein und ich hoffe dass euch meine Geschichte ein wenig gefallen hat, obwohl sie diesmal vordergründig recht wenig mit unseren geliebten Feuerzeugen zu tun hatte.
Da der Text auch wieder mal recht umfangreich ausgefallen ist hoffe ich mal, dass ihr ohne Wachmacher bis zum Ende durchgekommen seit und zwischendrin keine Pause einlegen oder gar von der Krankenschwester eures Vertrauens fitgespritzt werden musstet.

Viele Grüße
Der Hesse
________________________________________________________
Original-Posting aus dem alten Lighterclub-Forum vom 27.02.2010

Bildanhänge
imagepreview

sozietat1.jpg

download

imagepreview

sozietat2.jpg

download

imagepreview

sozietat3.jpg

download

imagepreview

sozietat4.jpg

download


Aufgrund eingeschränkter Benutzerrechte werden nur die Namen der Dateianhänge angezeigt Jetzt anmelden!

 Antworten

 Beitrag melden
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!